Die Ukraine steht erneut vor einer ernsthaften Bedrohung durch eine groß angelegte russische Invasion . Journalisten schreiben argumentativ über die hohe Wahrscheinlichkeit dessen, Politiker machen sich Sorgen und Militärexperten schätzen verschiedene Szenarien ein. In den letzten Monaten konnten niemandem die proaktiven Aktionen der russischen Spezialeinheiten entgehen, bei denen diverse Möglichkeiten offensiver Landungsoperationen regulärer Militäreinheiten mit neuer Qualität ausgeübt werden.
Moskau hat seine Stoßtruppen entlang der südöstlichen Grenze der Ukraine und auf der besetzten Krym kadermäßig aufgestockt. Nach Angaben des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine sind russische Fallschirmjäger, verstärkt durch Schiffe der Schwarzmeer-, Nordmeer- und Baltischen Flotte sowie der Kaspischen Flottille, bereit, vom Süden aus zu agieren. Die Bodenstreitkräfte an der Grenze im Osten und Norden der Ukraine bestehen aus fast 40 taktischen Bataillonsgruppen. Insgesamt sind fast 100.000 Soldaten, 1.200 Panzer, 1.600 Geschütze und Raketensysteme, 330 Flugzeuge und 240 Hubschrauber in Grenznähe konzentriert.
In letzter Zeit wurde das Territorium der Ukraine mit Hilfe von Flugzeugen und technischer Aufklärungsmittel aktiv erkundet. Russische Aufklärungsflugzeuge, Manövriergruppen der elektronischen Aufklärung, Aufklärungssatelliten und Schiffe kommen dabei oft zum Einsatz. Bei den Übungen, von denen allein etwa 90 auf der besetzten Krym stattfanden, wurden leistungsfähige Führungs- und Kontrollsysteme in Stellung gebracht, der Einsatz zusätzlicher Divisionen territorialer Truppen geübt und auch die Einsatzreserven miteinbezogen. Alle militärischen Maßnahmen hatten das gleiche Angriffsszenario.
In diesem Jahr erkundete Russland aktiv das Territorium und die militärische Infrastruktur im benachbarten Belarus. Bilaterale Übungen der Heerestruppen, Luftwaffe und Luftlandetruppen im Nachbarstaat sind bereits an der Tagesordnung. Operative und taktische Flugabwehrraketen wurden in die belarussischen Wälder verlegt und auf den Militärflugplätzen in Belarus sind Flugzeuge der russischen Luftwaffe im Kampfeinsatz. Russland hat strategische Flüge im Luftraum von Belarus wieder aufgenommen. Moskau bewirkte künstlich die Migrationskrise, indem es Migrantenströme an die Ostgrenze der EU lenkte. Tatsächlich wird das belarussische Territorium vom Kreml kontrolliert.
Täglich finden Provokationen gegen ukrainische Truppen im Kampfgebiet im Osten des Landes statt. Das Ziel ist offensichtlich : Kyjiw zu beschuldigen, gegen den Waffenstillstand verstoßen zu haben. Unter Verletzung der Minsker Abkommen konzentrieren die Besatzer schwere Waffen in der Nähe der Kontaktlinie im Donbas, machen ständig Drohnenflüge über den ukrainischen Stellungen, führen einen Scharfschützenkrieg, beliefern die Frontlinien mit Munition, Treibstoff, Waffen sowie Ausrüstung und blockieren die Arbeit der Sonderbeobachtungsmission der OSZE. Moskau stellte in den besetzten Gebieten der Ukraine zwanghaft ihre eigenen Pässe aus wobei fast 650.000 russischsprachige Personen russische Pässe erhielten. Eine hohe Anzahl russischer Staatsbürger auf dem ukrainischen Gebiet soll die Lage im Osten weiter destabilisieren und als Vorwand für eine groß angelegte Invasion zum „Schutz der Russen“ dienen.
Der aktuelle Stand zeigt, dass der Kreml sich für eine Eskalationsstrategie mit gelegentlicher Entspannung entschieden hat . Zunächst wird die russische Truppenstärke in der Nähe der Ukraine deutlich erhöht und später zum Teil wiederreduziert. Dennoch ist ein ständiges Wachstum der Gesamtzahl der Truppen zu verzeichnen. Der Kreml hat nicht vor, die bewaffnete Aggression gegen die Ukraine zu stoppen, im Gegenteil, er versucht weiter, ihre Souveränität zu zerstören und die Perspektiven für eine Integration der Ukraine in die europäischen Sicherheitsstrukturen und die NATO zu drosseln.
Laut Experten bereitet Putin groß angelegte Provokationen vor und wird diese in etwa zwei Monaten durchführen. Um die Stabilität in der Ukraine zu zerstören, wird der Kreml die innenpolitische und Energiekrise aktiv nutzen, subversive Tätigkeit ins Gang setzen, Propaganda intensivieren und systematisch Fake News verbreiten. All dies wird in den noch im letzten Jahrhundert veröffentlichten Lehrbüchern des KGB präzise beschrieben. Es handelt sich um fünf D-Methoden: Desinformation, Diskreditierung, Desorientierung, Destabilisierung, Desintegration.
Die Ukraine bereitet sich ernsthaft auf einen möglichen Angriff vor. Die ukrainische Armee und die Spezialkräfte verfügen über ernstzunehmende Möglichkeiten und sind bereit, gegen den Angreifer vorzugehen. Ein gemeinsam abgesprochenes Vorgehen des Westens sollte Kyjiw helfen, seine Effektivität und Effizienz beim Widerstand gegen die aggressiven Pläne Moskaus zu erhöhen. Eine solche Interaktion wird die Kosten des russischen Angriffs entscheidend erhöhen.
Die westliche Hilfe sollte vier Richtungen aufweisen:
Erstens geht es um die Entscheidung, der Ukraine einen Aktionsplan für die NATO-Mitgliedschaft zu gewähren. Der Plan ist noch keine Vollmitgliedschaft sondern eher ein Fahrplan für Reformen, die Kyjiw angesichts der realen Bedrohung aus dem Osten umsetzen wird.
Zweitens, sollte die Liste der Sanktionen, die gegen Russland im Falle einer militärischen Eskalation oder eines Angriffs verhängt werden, veröffentlicht werden.
Drittens, ist die Energiesicherheit zu stärken , einschließlich wirksamer Sanktionen gegen Nord Stream 2.
Und zu aller Letzt geht es um die Lieferung von Verteidigungswaffen, die die Machtverhältnisse auf dem Schlachtfeld zugunsten der Ukraine entscheidend verändern werden. Angefangen von Abwehrbatteriestationen zur Erhöhung der Effektivität ukrainischer Geschütze, Stationen für elektronische Kampfführung, Munition, Ausrüstung sowie Luft- und Raketenabwehrsystemen bis hin zur Stationierung von Einheiten und Militärstützpunkten der Alliierten in der Ukraine, zum Beispiel in der Nähe von Kyjiw, Odessa oder Sumy.
Als Signal für ein abgestimmtes Vorgehen zwischen der Ukraine und der westlichen Koalition ist ab Januar die Zahl und die Intensität der Besuche diplomatischer Vertretern der NATO, der USA, Großbritanniens, Kanadas und der EU in die Ukraine zu erhöhen.
Roman Suschtschenko – bekannter ukrainischer Journalist, ehemaliger politischer Gefangener von Kreml, Leiter des Tscherkassy Regionalverbands der politischen Partei “Europäische Solidarität”